Zur Erinnerung - Der Wäägeler
Wer wird Wäägeler und warum?
Eine Frage, dies es in sich hat, den die Wagen-Fasnacht ist eine ganz besondere. Der Wäägeler ist eine Art fasnächtlicher Santiglaus. Er liebt es, seine "Kinder" zunächst belehrend zu tadeln ("Was isch, hesch kai Blaggedde, hösch? S näggscht Joor seen i denn aber e goldigi, gäll!"), um sie darauf gönnerhaft-grosszügig mit Mimosen, Schnapsfläschli und anderen orginellen Give-Aways zu überschütten. Oder, wenn es ein nettes Miggeli ist, auch mit einem Sack Räppli. Der Wäägeler hat Macht und er weiss es! Am Cortège warten alle nur auf ihn. Egal, ob gerade die VLK - der Name ist zufällig gewählt - mit einem sensationellen Zug vorbeidefiliert: Die Blicke aller sind auf den nachfolgenden Wagen gerichtet: "Waggis, hesch mer en Orangsche? Waggis döfi e Dääfi? Waggis!!!)
Ja, da lacht des Wäägelers Herz!
Bevor es aber soweit ist, wartet einiges an Mühsal, Schweiss und Tränen auf ihn: Der Wagenbau.
Das Gefährt steht nackt und leer in einer ungeheizten Scheune oder Fabrikhalle und muss für den Cortège zurecht gemacht werden. Samstag für Samstag friert sich die Bau-Equipe einen ab, sägt Bretter, schlägt mit klammen Finger auf Nägel (oder Finger), malt das ganze Sujetgerecht an und schreibt zu guter Letzt drei bis vier lustige Verse auf die Wagenwände ("My Alti goht go danze - und Ych frier do an Ranze"). Unnötig zu sagen, dass es, wie in jedem Verein, immer dieselben vier guten Tschooli sind, die für die anderen schuften und frieren....
Bevor der Wagen dann von einem riesigen Traktor, dessen Kabine weit über das Wagendach herausragt (wohl der interne Wettstreit unter den Fahrern - wer hat den grösseren), in die Stadt gefahren wird, muss er noch mit "Material" beladen werden: Tonnenschwere Kisten voll Orangen, kartonweise Mimosen oder Rosen, unzählige Säcke mit Räppli, kistenweise Plastikfigürli, sicher aber keine Seyblootere (Expats: Schweineblasen, pig's bladders), denn die sind seit Jahrzehnten verboten. All das kostet ein Heidengeld und dabei ist das Kostüm, die übergrosse Waggislarve mit der kiloschweren Bastperücke sowie der nicht unbedeutende Eigenkonsum von Weisswein, Appenzeller und auch nichtalkoholischen Getränken noch gar nicht mitgerechnet.
Ja, dem Wäägeler ist seine Wagenfasnacht lieb und im wahrsten Sinne des Wortes teuer!
Quelle:
Die beschriebene Fasnachts-Typologie ist 2014 als Serie in der "Schweiz am Sonntag" erschienen
BAZ Zusatz in Ausgabe 11.02.2021